Vor gut 2 Monaten sollte es endlich soweit sein: Dem Leipziger Stadtrat wurde in der Mai-Sitzung ein 17-seitiger Entwurf für den Mietspiegel 2016 vorgelegt, den das Sozialamt gemeinsam mit dem Amt für Statistik und Wahlen erarbeitet hatte. Ein qualifizierter Mietspiegel nach § 558 BGB ist als gerichtliches Beweismittel anerkannt und bildet eine Berechnungsgrundlage, die als Richtwert auf dem Wohnungsmarkt gilt. Bisher (solange es in Leipzig keinen qualifizierten Mietspiegel gibt) kann der Vermieter die nur mit einem einfachen Mietspiegel ermittelte Vergleichsmiete leicht umgehen, indem er sich auf drei Vergleichswohnungen stützt und damit gegebenenfalls Mieten über der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt. Wenn ein qualifizierter Mietspiegel vorliegt, ist die Orientierung an 3 Vergleichswohnungen nicht möglich, die „ortsübliche Vergleichsmiete“ wird dem Mietspiegel entnommen.
Der qualifizierte Mietspiegel
In den vergangenen Jahren war es Konsens, daß ein einfacher Mietspiegel für Leipzig ausreichend sei, bei hohem Leerstand und einem großen Wohnungsangebot ist er als Instrument zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete gut geeignet. Doch Leipzig wächst, der Wohnungsmarkt wandelt sich, und so braucht es einen qualifizierten Mietspiegel. Er muß nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von den Interessenvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt worden sein. Aller zwei Jahre muß er an die Marktentwicklung angepaßt und aller 4 Jahre neu erstellt werden. Hätte der Stadtrat den „Mietspiegel 2016“ im Mai bestätigt, wäre er am Tag nach der Beschlussfassung in Kraft getreten. „Wäre“ – denn zur Beschlußfassung kam es nicht, der Tagesordnungspunkt wurde seitens der Stadtverwaltung verschoben.
Kritik am Entwurf
Bereits im Vorfeld der Sitzung gab es heftige Kritik aus der Immobilienwirtschaft. Hauptkritikpunkt: Die Vergleichsmieten werden in dem Entwurf von der Wohnlage abhängig gemacht. Für Wohnungen mit gleichen Ausstattungsmerkmalen wären in unterschiedlichen Wohnlagen also unterschiedliche Durchschnittsmieten genannt worden. Die 4 Lagekategorien, in die der Entwurf die Stadt Leipzig einteilt (einfach, mittel, gut und sehr gut) orientieren sich dabei an den Bodenrichtwerten mit Stichtag 31. Dezember 2015. Da jedoch ausgerechnet 2015 die Grundstückspreise in Leipzig enorm gestiegen waren, hätte dies zur Folge gehabt, daß in 37 der 62 Stadtgebieten künftig höhere Mieten zulässig gewesen wären. Und dies, obwohl die für den Mietspiegel durchgeführte Haushaltsbefragung und die Auswertung der Daten KEINEN auffälligen Zusammenhang zwischen der jeweiligen Miethöhe und der Wohnlage zeigten. Für die Miethöhe – so die Auswertung der Daten – ist in Leipzig nicht die Wohnlage, sondern Ausstattungsgrad und Sanierungszustand relevant.
Wer in den Plattenbauten im Kolonnadenviertel wohnt, hätte mit heftigen Mieterhöhungen rechnen können – denn dies wäre zukünftig nach dem qualifizierten Mietspiegel mit eine der teuersten Leipziger Adressen.
Wie weiter?
Die Absetzung des „Mietspiegels 2016“ von der Tagesordnung hätte nichts mit der aktuellen Debatte zu tun, so im Nachgang die Stadtverwaltung. Grund seien Zweifel seitens der Landesdirektion an der Mietwerterhebungssatzung der Stadt Leipzig, die im Dezember 2015 veröffentlicht wurde – und Grundlage für die Erstellung von Mietspiegeln ist.
Wann der neue – qualifizierte – Mietspiegel kommt, ist derzeit offen. Bis dahin gilt weiterhin der Mietspiegel 2014. …
Im Märchen ist der Spiegel allwissend und gibt auf jede Frage Antwort. Bleibt zu hoffen, daß auch der Leipziger Mietspiegel bald zu neuen Erkenntnissen führt.
Quellen:
28.3.2017 – Leipziger Volkszeitung „Erster qualifizierter Mietspiegel für Leipzig. Kritik von Vermietern“
7.5.2017 – Leipziger Volkszeitung „Massive Kritik an neuem Leipziger Mietspiegel“
16.5.2017 – Leipziger Volkszeitung „Mietspiegel vertagt – Streit um Leipzigs Wohnungspolitik spitzt sich zu“
Beschlußvorlage inkl. Entwurf Mietspiegel 2016
Leipziger Mietspiegel 2014 (Download)